Datum: 22.12.2020
Transgenerationale Trigger und die Pandemie
Von Sabine Lück
Angst ist für die meisten Menschen ein unangenehmes Gefühl, von dem sie sich so
schnell wie möglich befreien möchten. Bei Angst reagiert unser sogenanntes
Ur-Gehirn, die Amygdala, mit Überlebensmechanismen wie Flucht, Verteidigung oder
Eingefrorensein und umgeht dabei unser Bewusstsein, um keine Zeit zu verlieren.
Wenn wir den Auslöser der Angst nicht abstellen können, erleben wir
Machtlosigkeit und Ausgeliefertsein. Ohnmacht ist noch unangenehmer als Angst.
Jetzt stehen uns nur noch psychische (Überlebens-)Strategien zur Verfügung.
Um uns der Angst nicht ausgeliefert zu fühlen, wehren wir diese Gefühle ab,
leugnen oder verdrängen die bedrohlichen Emotionen und flüchten uns in Gefühle,
die besser auszuhalten sind, wie z.B. Wut. Überängstlichkeit kann ebenfalls eine
Abwehrstrategie darstellen und uns ein Gefühl von Handlungsfähigkeit
zurückgeben, wenn wir uns, unseren Sorgen entsprechend, vorsichtig verhalten.
Die Pandemie mit ihren Auswirkungen auf unseren Alltag versetzt die meisten
Menschen in Angst und jede:r reagiert individuell mit seinen|ihren Angstmustern.
Um auf neue Situationen besser reagieren zu können, werden alte, abgespeicherte
Erfahrungen durchsucht. Vergangene Situationen mit ähnlichen Umständen, Personen
und Erlebnissen, auch Kindheitserfahrungen, werden gescannt und auf erfolgreiche
Bewältigungsmuster überprüft. Das geschieht unbewusst und in Sekundenschnelle.
Was die meisten nicht wissen ist, dass auch transgenerationale Trigger ausgelöst
werden, die Erfahrungen unserer Ahn:innen beinhalten und die wir selbst nicht
erlebt haben. Durch epigenetische Mechanismen und über die Beziehungsgestaltung
mit unseren Bezugspersonen, mit Eltern, Großeltern, Adoptiveltern, sind diese an
uns weitergegeben worden.
Es gibt somit keine tatsächliche Wirklichkeit, denn jede:r erlebt eine andere
Realität. Das nennt man Konstruktivismus.
Die größte Gefahr ist hierbei die Verwechslung der alten mit der neuen
Situation. Wenn sich Menschen von Schutzmaßnahmen wie Maskentragen in ihrer
Selbstbestimmung bedroht fühlen, kann es sein, dass in ihrer Kindheit oder in
der Vergangenheit der Eltern und sogar der Großeltern Erfahrungen von
Fremdbestimmung stattgefunden haben.
Gefühle der Ohnmacht und des Ausgeliefertseins werden automatisch auf die
aktuelle Situation übertragen und bestätigen jetzt sozusagen die eigene
Wahrheit. Vergangenheit und Gegenwart verschmelzen und sind nicht mehr zu
unterscheiden. Dabei entsteht ein gefährlicher Kreislauf, in dem Angst und
Ohnmacht, durch alte Erfahrungen aufgeladen, die Realität einfärben und zur
scheinbaren Wirklichkeit erklären.
Die Übertragung alter Erlebnisse ist auch dort ein Problem, wo wir unsere alten
Beziehungserfahrungen auf heutige Partner:innen und Menschen übertragen. Schnell
wird die Kanzlerin wie die eigene reglementierende Mutter erfahren und eine
ganze Gesellschaft kann sogar zum bestrafenden Vater werden, wenn wir uns nicht
hinterfragen und unsere Gefühle als objektiv und wahr erleben.
PRAKTISCHE ÜBUNG
Mit dieser kleinen Übung kannst du alte Kindheitserlebnisse und
transgenerationale Trigger erkennen und auflösen:
* Finde ein Symbol für die Situation, die bei dir Angst oder Ohnmachtsgefühle
auslöst, z.B. die Lockdown-Maßnahmen.
* Lege das Symbol auf einen Stuhl vor dich.
* Lass nun mit geschlossenen Augen einen inneren Scan durchlaufen, indem du
dein Unbewusstes bittest, ein Symbol für die alte Triggersituation auftauchen
zu lassen.
* Lege dieses Symbol auf einen zweiten Stuhl, den du neben den ersten stellst.
* Setzte dich beiden Symbolen gegenüber und betrachte zunächst Symbol 1: Was
genau beinhaltet die aktuelle Situation für dich? Was genau macht dich
ohnmächtig?
* Wende dich dem zweiten Symbol zu: Welche Erinnerungen sind hiermit verbunden?
Sind es deine Erfahrungen? Sind es Erlebnisse deiner Eltern und Großeltern?
* Vergleiche nun beide Symbole und erkenne die Unterschiede.
Beispiel: Ohnmachtsgefühl | Lockdown schränkt mich in meiner Freiheit ein. Meine
Grundrechte sind bedroht.
Alte eigene Erfahrung: Mein Vater war sehr streng und hat mich oft mit
Hausarrest bestraft.
Erfahrung des Vaters: Aufwachsen in der DDR, Fremdbestimmung durch den Staat,
Einschränkung der Grundrechte.
Tatsächliche aktuelle Erfahrung: Lästige Einschränkung im Alltag, aber nicht
bedrohlich.
Auf diese Weise können wir unsere Angstreaktion annehmen, zuordnen und
verstehen, ohne eine alte Realität erneut durchleben zu müssen. Das hilft uns
dabei, eine objektivere Sicht einzunehmen und gefährliche Verwechslungen von
alten und neuen Realitäten zu vermeiden.
Tipp: Im Intensiv-Seminar Das Erbe deiner Ahnen zeigt dir Sabine Lück, wie du
über eine „Versorgung“ der Ahnen Heilung ins System bringen kannst.
Hier findest du alle Details zum Kurs Das Erbe deiner Ahnen.